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Research, 9.3.06
Von Schnabeltieren und Eierpflanzen
Ein kurzes Jahr
Mit Tausenden von kuenstlichen Sternschnuppen, glaenzenden Palmen, Gold- und Silberregen und farbigem Lichterzauber ueber der Oper von Sydney geht ein eher kurzes Jahr fuer uns zu Ende. Gemeinsam mit 20'000 anderen Schaulustigen staunen wir ueber ein grandioses Feuerwerk und zu zweit schmunzeln wir ueber die Touristen, die mitten im Raketengetoese ihren verwirrten Verwandten zu Hause zu erklaeren versuchen, weshalb sie ihnen bereits nachmittags um zwei ein gutes neues Jahr wuenschen. Das Jahr 2005 war fuer uns nicht nur kurzweilig, man hat uns total auch zehn Stunden geklaut.
Neuer Lebensstil
Sydney ist der Startpunkt unserer Australientour, wo wir sowohl von meinen Verwandten also auch vom Wettergott grosszuegigstens empfangen werden. So vergehen zwei Wochen mit Baden, Beach-Volleyball spielen und mit einem Glas Wein auf dem Balkon sitzen wie im Flug. Sydney ist aber auch der Ort, wo wir uns nach acht Monaten Backpacking auf unseren neuen Lebensstil einstellen: Leben und Reisen im eigenen Auto. Geschlafen wird in Zukunft hinten im Auto auf gratis Camping- oder Rastplaetzen, die in ganz Australien haeufig anzutreffen sind und praktischerweise auch in einem speziellen Strassenatlas vermerkt und beschrieben sind. Solange man sich in waermeren Gefilden und nahe der Kueste aufhaelt, kann man auch ganz gut mit den angebotenen kalten Duschen auskommen.(In Tasmanien schrumpft dann unser Duschdurchschnitt auf weniger als eine Dusche pro vier Tage...). Des weiteren erlaubt uns der eigene Gaskocher kombiniert mit guenstigen Einkaufszentren sowohl koestlich als auch kostenguenstig zu essen. Zwei Hoehepunkte des neuen Gefuehls duerfen nicht vergessen werden: keine schmerzenden Schultern wegen Rucksackschleppen und Schoggibananen aus dem Lagerfeuer...
Unsere neue Queen
Das Auto, mit dem wir diesen neuen Reisestil pflegen, besorgen wir uns am dritten Tag nach unserer Ankunft in Sydney im beruehmt-beruechtigten Kings Cross Automarkt, wo schon so viele bessere und schlechtere Autos einen neuen Besitzer gefunden haben. Mit besonderen Gefuehlen betreten wir diesen duesteren Ort, wo selbst im Sommer ein kuehler Luftzug herrscht und wo wir schon vor sieben Jahren als Verkaeufer eine Woche lang gehockt sind, diesmal als Kaeufer. Lizzy (kurz fuer (engl.) lizard oder Elizabeth (sowohl Drache als auch Koenigin) ist ein kleines rotes Toyota Bueslein bemalt mit charakteristischem Flammenmuster. Vorne zwei Sitze, hinten eine Matratze auf einem Bettgestell plus Stauraum darunter - Nach ein paar Einrichtungsarbeiten und Ausruestungsergaenzungen ist unser Wohnmobil perfekt.
Von Sydney nach Melbourne
Unsere Route fuehrt uns nach einem 3-taegigen Abstecher in die Blue Mountains, nahe bei Sydney, westwaerts, relativ schnell hinein nach Victoria, wo es gilt, den Besitzerwechsel unseres Autos offiziell zu machen. In der alpinen Region um Harrietville schauen wir uns einen australischen Skiort im Sommer an und bezwingen Mt. Feathertop auf einer Knie-ruinoesen Tausend-Hoehenmeter-Tour. Anscheinend soll auf diesen Huegeln hier im Winter regelmaessig Schnee liegen - aber schliesslich kann man dies ja neu auch von Langenbruck behaupten... Weiter geht es entlang der Suedkueste. Hier bleibt uns der Abstecher auf die Raymond Insel in besonderer Erinnerung. Noch nie haben wir so viele wilde Koalas und so viele wilde Moskitos gesehen. Wieder einmal ziehen uns die unberuehrten Straende Australiens in ihren Bann. Am Neunzig-Meilen-Strand zum Beispiel hat jeder trotz Hochsaison und Sommerferien einen Kilometer feinsten Sandstrand fuer sich allein. Camping ist natuerlich gratis. Uebertroffen wird dies noch von den Straenden im Wilsons Promontory Nationalpark ganz im Sueden des Kontinents. Hier sind die Straende in den geschuetzteren Buchten zwar nicht ganz so einsam (im Januar = Ferienzeit), aber dafuer schneeweiss wie aus dem Bilderbuch und so fein, dass sie unter den Fuessen quietschen. Sobald man die geschuetzteren Buchten um den Campingplatz verlaesst, wird das Meer wild und schlaegt mit Gewalt an die steilen Klippen. Um dieses Schauspiel zu geniessen besuchen wir auf einer 36 km-Tagestour den suedlichsten Punkt des australischen Festlandes und schauen den Roaring Forties bei ihrem taeglichen Treiben zu.
Australische Kriminalitaet
Den Aufenthalt in Melbourne halten wir erstmal kurz. Lizzy ist mit fehlender Servolenkung, fehlendem Citylink-tag (eine Art Autobahnvignette) und fehlender Alarmanlage nicht das idealste Grossstadtauto (wobei sie fuer mittleres natuerlich nichts dafuer kann). Und so holen wir uns (vielleicht) unseren ersten Strafzettel (Dank an dieser Stelle an den Campingplatz-Manager fuer die allfaellige Entsorgung des Briefes) und erfahren unseren zweiten Diebstahl (nach Laos) auf unserer Reise: Waehrend wir Roger Federer in der Rod Laver Arena auf seinem Weg zum zweiten Australian Open Titel anfeuern, wird uns unser Autoradio aus dem abgeschlossenen Wagen geklaut (zum Glueck ohne weiteren Schaden anzurichten). Zaehlt man dazu, dass uns in Sydney bereits die Tuer eingetreten wurde, klettert Australien auf unserer Liste der "kriminellsten" Laender ganz an die Spitze...
Landarbeit
Die Idee ist schon eine Weile in unseren Koepfen rumgeschwirrt und nun scheint uns der Zeitpunkt gekommen, einen Versuch zu unternehmen, eine Weile zu arbeiten. In Shepparton hueten sie nicht etwa Schafe, sondern bauen Fruechte an. Es ist Hochsaison fuer Pfirsiche - gemaess unseres Erntekalenders - und eventuell gibt es noch spaete Aprikosen oder erste Birnen und Aepfel. Nun gut, nach drei Stunden herumfragen ist uns klar, dass die Aepfel und Birnen noch nicht so weit und die Aprikosen laengst vorbei sind. Ausserdem sind die Pfirsiche in diesem Jahr ganz erstaunlich spaet dran. Nach einer weiteren Stunde haben wir aber dennoch einen Job: Auberginen (engl. eggplants) sind sechs Monate Saison... Geboten werden uns (neben 12 Dollars pro Stunde) ein Abstellplatz fuers Auto, Toilette, Kuehlschrank und Kochherd und dazu Auberginen, Pepperoni und Fruechte, so viel wir essen wollen. Nicht dass es uns wirklich wahnsinnig Spass gemacht haette, bei 40 Grad stundenlang gebueckt die dornigen Auberginen von den Straeuchern zu schneiden, aber das ganze Drum und Dran entschaedigte fuer die Muehseligkeiten. Nico liebte es, mit dem Traktor die Kisten einzusammeln und sie dann mit dem Gabelstapler auf den Lastwagen zu hieven. Ich liebte es, suesse letzte Aprikosen und erste Pfirsiche und Nektarinen von den Baeumen zu holen und zu einer feinen Waehe zu verarbeiten. Ausserdem schmeckten auch meine Auberginen-Pepperoni-Burritos sehr gut. Und wir beide freuen uns immer noch ueber die vielen 50er-Noetli in unseren Taschen! Wir blieben zwei Wochen unterbrochen durch einen Wochenendausflug ans Australian Open in Melbourne, das wir ganz oben auf unserer Melbourne-Prioritaetenliste hatten und nicht verpassen wollten. Wir schafften es, einen Tag auszusuchen, an welchem sowohl Hingis, als auch Schnyder und Federer spielten und sahen letztere beide live.
Das Wandern ist des Mosers Lust
Ende Januar sind die Schulferien vorbei und damit fuer uns die Zeit gekommen, auf die Ferieninsel (so proklamiert auf dem tasmanischen Autokennzeichen) ueberzusetzen. Nach dem vierziggraedigen Melbourne stellt das zwanziggraedige Devonport ein rechter Kaelteschock dar. Bis zum Schluss wundern wir uns ueber die Temperaturen, schliesslich liegt Tasmanien naeher am Aequator als die Schweiz und der Februar hier ist angeblich der waermste Monat! Mit der Zeit lernen wir aber die damit verbundenen Vorteile schaetzen. Wir merken naemlich bald einmal, dass viele Wildtiere, wie Wombats, Schnabeltiere oder Echidnas frueher am Nachmittag aus ihren Verstecken kommen als ihre Artgenossen auf dem Festland. Dadurch ergibt sich auch einmal die Gelegenheit, sie im Tageslicht zu sehen und zu fotografieren. Besonders stolz sind wir natuerlich auf die drei Tasmanischen Teufel(chen), die wir im Laufe der fuenf Wochen angetroffen haben, waehrend uns die hochgiftige Tigerschlange nach der 15. Begegnung irgendwie nicht mehr so wahnsinnig ausserordentlich vorkam. Neben den Wildtieren ist es die Wildnis Tasmaniens, die wir erleben wollen. An etwa 25 der 35 Tage, die wir in Tasmanien zubringen, machen wir zumindest eine mittelgrosse Wanderung und davon schleppen wir an 12 Tagen einen grossen Rucksack mit (soviel zum Thema keine schmerzenden Schultern mehr dank eigenem Fahrzeug...). Bringt man diese Statistik mit den oben erwaehnten Duschangaben in Verbindung (ca. 1 Dusche pro vier Tage), kann man sich in etwa vorstellen, wie wir gerochen haben. Seife oder Shampoo ist in den Bergbaechen der Nationalparks logischerweise nicht erwuenscht. Waehrend unser Koerpergeruch langsam intensiver wird, sind wir immerhin umgeben von der saubersten Luft der Erde, die von Westen her angeblasen wird und dort waehrend 15'000 Kilometern kein Festland ueberqueren musste. Leider bedeutet diese Tatsache auch, dass sie ganz schoen lange Zeit hatte, sich mit viel Feuchtigkeit aufzuladen, die sie ganz gerne ueber dem erstbesten Huegel wieder von sich gibt. Hier in den Bergen Suedwesttasmaniens regnet es an 280 Tagen im Jahr.
Trekking im Nebel
Unser laengstes Trekking ist der Overland Track, 80 km quer durch das Herzstueck des Unesco-geschuetzten Naturschutzgebietes vom Cradle Mountain bis ans Ufer des Lake St. Clairs. Die Tour dauert fuenf bis sechs Tage, kann aber mit verschiedenen Abstechern und Gipfelbesteigungen beliebig verlaengert werden. Gebucht wird (der Track ist seit diesem Jahr zahlungspflichtig) nur das Abmarschdatum. Wir starten am Tag nach dem kaeltesten Tag dieses Sommers und passieren Schneeresten auf etwa Tausend Metern. Zum Glueck hat es Huetten unterwegs, die heizbar sind und uns nicht nur jede Nacht Schlaf und trockene Kleider bescheren, sondern auch ein gemuetliches Beisammensein der einzelnen Wanderteams ermoeglichen. Jeden Abend berichtet man ueber Gipfelbesteigungen (oder eben nicht) und (wenn, dann) fehlende Aussicht von oben und troestet sich mit heissem Tee, Rum (oder gar Erdbeerglace) und hofft gemeinsam auf Wetterbesserung. Mit der Zeit muessen die Wolken wohl oder uebel als Teil des Erlebnisses akzeptiert werden. Schliesslich regnet es hier ja wie gesagt 280 Tage im Jahr. Ausserdem gewinnt der wunderschoene moosueberwachsene gemaessigte Regenwald zusaetzlich an Magie und bei den Wasserfaellen kann man sich auch nicht ueber fehlendes Wasser beklagen... Als wir am achten Tag als letzte "unserer Truppe"die letzte Etappe dem See entlang in Angriff nehmen (die meisten fahren diesen Teil mit der Faehre), kommt zu unserem Erstaunen ploetzlich die Sonne hinter den Wolken hervor. Kurz entschlossen verlaengern wir die Tour um einen weiteren Tag und besteigen noch einen weiteren Gipfel dieses Mal bei strahlendem Wetter und guter Sicht. Am naechsten Morgen nimmt uns ein Schweizer Paerchen in ihrem Auto mit zurueck nach Cradle Mountain, wo wir Lizzy parkiert haben. Als wir hier am naechsten Morgen immer noch klare Sicht haben, koennen wir nicht anders und rennen in Rekordzeit auch diesen Berg noch hoch, gerade rechtzeitig bevor die Wolken kommen und wieder den Normalzustand herstellen in dieser nebligen Wildnis.
Die schoensten Straende der Welt
Im Sueden Tasmaniens treffen wir wieder auf das wilde Meer des Sued-Ozeans, das uns so viele nasse Stunden beschert hat, und hier in drei bis vier Meter hohen Wellen unaufhoerlich angerollt kommt. Fuer mich sind dies die ganz speziellen Plaetzchen: ein einsamer Leuchtturm und steil abfallende Klippen, das Getoese von Wind und Wellen und die aufspritzende weisse Gischt aus dem unendlichen Blau. Sowohl auf Bruny Island als auch ganz an der Suedspitze am Suedkap findet man diese rauhen Kuestenstreifen. Es fehlen nur die Wale, die hier einst ihr Herrschaftsgebiet hatten, bis im 19. Jahrhundert ihr Blut das Blau des Wassers verfaerbte. Heute sind die Straende im einstigen Walfaengerdorf Cockle Creek wieder schneeweiss und gerade mal vier Einwohner leben noch hier. Ein paar Hundert Kilometer entfernt an der Ostkueste Tasmaniens ein anderes Bild: hier findet man ruhige Buchten mit tiefgruenem Wasser wiederum kombiniert mit dem typischen Weiss des hiesigen Silikatsandes. In der weltberuehmten Weinglasbucht ist der Sand nicht nur weiss und das Meer gruen, der Strand ist zudem zum perfekten Bogen geschwungen. Sogar an diesem Strand findet man ein einsames Plaetzchen, wenn man ihm ein paar Minuten entlangstapft. Wir haben schon viele sehr schoene Straende gesehen, aber vielleicht hat es in Tasmanien die allerschoensten.
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