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Darwin, 13.8.06
Der Ball ist rund, die Erde auch
Leere Batterien
Unser feuriges Echschen brummt zufrieden vor sich hin. Endlich wird wieder gefahren. Gerade Strecken mag es am liebsten, wenn moeglich ohne Gegenverkehr. Und davon hat es hier zu genuege. Meist sind sie gerahmt von unverwuestlichen Eukalyptusbaeumen, und dann wird es ploetzlich baumlos - dies ist dann die Nullarbor. Die Temperaturen sind inzwischen auch wieder nach Lizzys Geschmack mit idealen 20 Grad. Die kalten Herbsttemperaturen in Melbourne, wo Lizzy die letzten zwei Monate auf unsere Rueckkehr von Neuseeland gewartet hat, haben ihr keine Freude bereitet und ihre Batterie(n) erschoepft. Uns mochten sie nichts anhaben. Zu herzlich war der Empfang und zu gemuetlich das Zimmerchen, in das wir von unseren Freunden in Research eingewiesen werden. Mit frischer Energie (wir) und neu geladener Batterie (Lizzy) machen wir uns nach ein paar Tagen auf den Weg gegen Westen - zwar nicht gerade der schnellste Weg in den Sommer, aber immerhin.
Erinnerungen
The Great Ocean Road - die beruehmteste Kuestenstrasse Australiens - ist unser wichtigster Stopp auf dem Weg nach Adelaide. Erinnerungen kommen hoch, als wir die hereinrollenden Wellen des Suedlichen Ozeans bewundern, die mit grossem Getoese an den Klippen zerschellen, und die paar einsamen Apostel, die dieser Gewalt immer noch standhalten. Dieses Schauspiel hat uns schon vor acht Jahren tief beeindruckt. Mit eigenen Augen koennnen wir sehen, wie sich diese Landschaft veraendert: einer der beruehmten Apostel ist seit dem letzten Mal den Wellen zum Opfer gefallen und das beruehmte Sonnenuntergangsbild ist leider nur noch halb so huebsch... Dies ist uebrigens nicht alles, was sich veraendert hat. Der Parkplatz und die Toilettenanlage ist ums 10fache vergroessert worden, der Boardwalk verlaengert und - was uns besonders auffaellt - die historischen Informationen der Schilder sind heutzutage meist politisch korrekt formuliert.
Volle Batterien
Auch in Gawler, Adelaide, werden wir herzlich empfangen. Bei mehreren gemuetlichen Kaffeestuendchen am Tag tauschen wir Tasmanienerinnerungen aus (ebenfalls Overland-Bekannte), stopfen meine Socken, erfinden Limmericks und freuen uns auf die bevorstehende WM. Mit schwerem Herzen schlagen wir das Angebot aus, fuer die WM in Gawler zu bleiben (!) und verlassen die Zivilisation mit einer neuen Batterie fuer Lizzy als Abschiedsgeschenk. Eine gute Idee, wie sich schon nach zwei Tagen herausstellt. Wir geben die alte endgueltig als unheilbaren Fall auf und installieren die neue Energiebombe. Zu unserer Freude loest dies nicht nur Startprobleme am Morgen, sondern auch unser CD Player wird ploetzlich zuverlaessig. Danke nach Gawler!
Von der Altersresidenz zum Kinderspital
Was auf der Karte aussieht wie ein kleines Landzipfelchen, wo man mal so hinfahren kann, ist in Tat und Wahrheit ein 300 Kilometer-Abstecher. Auf der Eyre Peninsula gaebe es ein paar nette Plaetzchen, um sich im Alter mal niederzulassen. Etwas, was wir, sobald wir in Westaustralien ankommen, fast jeden Tag irgendwo bemerken. Hier hat es ganz einfach genug Platz fuer jeden, der gerne ein Haeuschen mit Meerblick haette. Falls also irgend jemand zahlbares Land an einem schneeweissen Strand mit tuerkisblauem Wasser kaufen moechte - zu erwaehnen waeren vielleicht auch noch die ca. 16 Grad Tagestemperatur im Winter mit meist strahlendem Sonnenschein - so koennen wir Suedwestaustralien empfehlen! Und wir kommen Euch auch regelmaessig besuchen...
Aber dazu spaeter. Momentan fahren wir schliesslich immer noch mit unserem energiegeladenen fahrenden Bettgestell zufrieden ueber das baumlose Kalkplateau der Nullarbor, gut 1000 Kilometer Nichts zwischen Ceduna im Osten und Norseman im Westen. (Nachdem wir es bereits bis nach Neuseeland geschafft haben auf unserer Tour um die Erde, sind wir nun fast wieder auf der Laenge von Thailand angelangt.) Die steilen Klippen sind auch hier sehenswert, aber einziges "Muss" ist "Head of Bight", Versammlungshaus, Standesamt und Kinderspital in einem fuer die ca. 70 Wale, die jedes Jahr den langen Weg von der Antarktis auf sich nehmen. Wir kommen gerade richtig zum Beginn der Saison und beobachten fast drei Stunden lang die acht Wale, die sich bis jetzt eingefunden haben. Leider steht heute nicht Akrobatik, sondern Laengenschwimmen auf dem Trainingsplan, gespickt immerhin mit ein
paar sehr sehenswerten Rolleinheiten.
Fussballfieber?
Kaum sind wir in der Zivilisation angelangt, beginnt auch schon die WM. Von jetzt an gilt es, unsere Aktivitaeten mit dem Spielprogramm abzustimmen. Am Tag bummeln wir einigen dieser Traumstraende entlang oder besuchen ein paar uebriggebliebene Eukalyptusgiganten oder nehmen sogar einen Schwumm im Suedozean; in der Nacht versuchen wir, ein paar der Spiele mitzunehmen. Darunter leidet natuerlich der Schlaf und auch die Nerven, wenn das einzige Pub in der Stadt schon um zehn schliesst (6 Stunden
Zeitdifferenz) oder kein SBS empfaengt (einer der staatlichen Sender!) oder schlicht das oertliche Rugbyspiel vorzieht. Insgesamt klappt es aber ganz gut fuer westaustralische Verhaeltnisse. Wir fiebern mit fuenf anderen Zuschauern mit, als Australien in den letzten paar Minuten das Spiel gegen Japan wendet, und finden sogar jemanden, der uns das erste Schweizer Spiel bei sich zu Hause schauen laesst. Trotzdem sehnen wir uns nach etwas mehr WM Stimmung (in Melbourne und Sydney ziehen die Grossleinwaende auf den Plaetzen Zehntausende von Leuten an), und da wir auch langsam genug davon haben, die Straende nur zu bewundern, aber nicht wirklich erleben zu koennen, beschliessen wir, nun endgueltig nicht mehr gegen Westen, sondern endlich gegen Norden zu fahren.
Perth wir kommen. Hopp Schwiiz!!
Die Zeit nach dem Fussball
Mit dem Ende der Weltmeisterschaften nimmt unser "luxurioeses" Hotelzimmer-Leben ein Ende. Anstatt um fuenf Uhr die Vorhaenge unseres teuren Cabins zu ziehen, um uns gespannt dem Match des Vorabends zu widmen, sitzen wir nun wieder auf einem Felsen am Meer und schauen der Sonne beim Baden zu. (Sie wird ganz rot vor Scham ueber soviel Aufmerksamkeit.) Gekocht wird wieder ueber einem Holzfeuerchen im sanften Licht des Mondes anstelle des hellen Gluehen einer Birne. Geschlafen wird entsprechend frueh und lange, denn die Wintertage sind kurz und um drei Uhr morgens steht man hoechstens noch auf, um den naechsten Busch zu waessern und den praechtigen Sternenhimmel zu bewundern und nicht mehr, um beim Live-Match mitzufiebern. Der Hotelluxus ist vorbei und der harte Campingalltag ist eingekehrt...
Erste Erlebniswuerdigkeiten
Von Perth ziehen wir erst einmal der Kueste nach gegen Norden. Es ist immer noch etwas zu kuehl, um im Meer zu plantschen und so beschraenken wir uns momentan noch drauf, die schon laenger ersteigerte, aber noch nie erfogreich eingesetzte Angelrute ins Wasser zu halten. Unser tiefgekuehlter Tintenfisch beginnt langsam zu stinken, waehrend uns kleinste Fischchen um den Steg die sorgfaeltig zugeschnittenen Koederstreifchen vom Haken knabbern. Wir geben auf und widmen uns vorerst wieder den Sehenswuerdigkeiten. Westaustralien bietet in dieser Beziehung vorallem viele faszinierende und unterschiedliche Gesteinsformationen: Schluchten, Klippen, Gebirgsketten, etc. Die Hoehepunkte von Westaustralien werden ueblicherweise entweder erwandert, erklettert, er-badet oder mit dem Boot befahren, aber auf jeden Fall irgendwie erlebt und nicht nur angeschaut, sind in diesem Sinne also eher
"Erlebniswuerdigkeiten" als "Sehenswuerdigkeiten". Dies natuerlich nur, wenn man nicht den Fehler macht und einem der vielen Schilder nachgeht, die eine "historische Schule" oder ein "historisches Gefaengnis" oder gar eine ganze "historische Goldgraeberstadt" versprechen. Hier gibt es naemlich nichts zu erleben, weil gar nichts mehr steht. (Ist demnach auch keine Sehenswuerdigkeit, da man auch nichts sieht...). Einzigartiges Erlebnis ist aber auf jeden Fall ein Picknick inmitten der Pinnacles - gelber Steinpfeiler, die in den Himmel ragen wie (zugespitzte) Saeulen zerfallener Tempel, wofuer sie von den ersten vorbeifahrenden Europaeern auch gehalten wurden. Die meisten Leute handeln den Park in einer Stunde ab und auch wir sind zu faul um weit zu wandern, aber wir verbringen zwei friedliche Tage hier in dieser Wunderwelt, die wir fast fuer uns haben ein paar Meter von der Strasse weg,
ausser ein paar neugierigen Emus. Im Kalbarri Nationalpark setzen wir die Picknicktradition fort mit zwei Campingstuehlen auf dem Lookout und einem (oK. lauwarmen) Bier in der Hand schauen wir zu, wie die rote Schluchtwand immer roeter wird.
Erste Angelerfolge
In Monkey Mia wagen wir uns dann wieder einmal ins Wasser, aber nur bis zu den Knien. "Schwimmen mit den Delphinen" darf man hier nicht zu woertlich nehmen, es gibt strikte Anweisungen, wieviel Haut man bei dem allmorgendlichen Spektakel benetzen darf. Aber die Delphine kommen tatsaechlich ganz nah und grinsen einen schelmisch an, bis sie nach gut zwanzig Minuten Modellstehen ihren Fisch kriegen und davonziehen. Danach lockt uns Steep Point, Fischerparadies und der westlichste Punkt des australischen Festlandes. Er liegt ganz in der Naehe (nur so ca. 200 km entfernt), aber leider sind 60 Kilometer ungeteert und weitere 20 definitiv nur mit Vierradantrieb machbar. Also packen wir Zelt und Rucksack und dazu einen 12 Liter-Wassertank und stellen uns an den Strassenrand. Nach drei Stunden kommt das erste Auto und am naechsten Morgen nimmt uns tatsaechich jemand mit. Die zwei Tage sind ein
Erfolg. Nach dem obligaten Foto am westlichsten Punkt, werden wir von den Fischern nebenan in ihr Hobby eingefuehrt und saeubern und kochen schon bald unseren ersten selber gefangenen Fisch zum Zmittag auf dem Lagerfeuer!
Nico und das Meer
Nach diesem Abstecher und zwei Schnorcheltagen am Ningaloo Reef (immer noch saukaltes Wasser...) verlassen wir die Kueste zum Karijini Nationalpark, einem weiteren Highlight in Sachen Gesteinsformationen. Und dieses Mal wird es so richtig abenteuerlich! Die engen tiefen Schluchten sind teilweise kaum menschenbreit und wirken fantastisch mit einzigartig geschichteten Felswaenden und unterschiedlichsten Farben, Wasserfaellen, Sturzbaechen und glasklaren Pools. Es ist herrlich zum Erkunden und Fotografieren! Wir verbringen fuenf Tage im Park und feiern unter anderem auch Nicos 28. in diesem schoensten Nationalpark Westaustraliens. Wirklich ein wuerdiger Ort dazu. Ab Broome wird es touristisch und endlich wirklich warm. Ein Strandtag ist angesagt und unsere Volleyballkuenste werden wieder einmal aufgefrischt. Nico besteht ausserdem auf einem weiteren Angelversuch mit unserer Handleine vom oertlichen
Steg aus. Die Vorzeichen sind guenstig. Wir bekommen gleich Koeder geschenkt (oder ist dies ein schlechtes Zeichen?) und wir sind nur kurz nach dem Gezeitenwechsel da, allgemein anerkannt als ein guter Zeitpunkt zum Fischen... Nach drei Stunden Koederbaden habe ich genug und will fuer den Sonnenuntergang einen Ortswechsel. Ein letzter Versuch, ein letzter Wurf ins Wasser und da - tatsaechlich! - ein Widerstand! Nico zieht und zieht und zieht, aber kein Fisch taucht am anderen Ende der Leine auf. Der Haken steckt fest, irgendwo am Meeresgrund. Das Taschenmesser loest das Problem und dies war es dann mit Angeln...
Was ist Luxus?
Nach dem Karijini Nationalpark haben wir fuer die Schluchten der Kimberleys nicht mehr soviel Musse, mit Ausnahme des Purnululu Nationalparks. Die kuppelfoermigen schwarz-rot-gestreiften Felsen der Bungles Bungles Kette sind eines der Wahrzeichen Westaustraliens und wir haben Bilder davon in unseren Koepfen seit unserem ersten Australienbesuch vor acht Jahren. Der Park ist wiederum 4WD-only und wir wenden denselben Trick an: Rucksack plus Wasserkanister plus Maetteli werden eingepackt und dann stellen wir uns an den Strassenrand der gluecklicherweise etwas haeufiger befahrenen Strasse. Noch am selben Abend starten wir eine dreitaegige Tour im Park in die Picanniny Schlucht hinein, einem fast ausgetrockneten Bachbett entlang. Wir schlafen ohne Zelt direkt unter dem Sternenhimmel inmitten der roten Felspracht dieser einzigartigen Bergkette. Leute fragen uns manchmal (und je laenger je
oefter) was uns denn antreibt zu reisen und touren. Wieviel Wert hat denn Luxus, wenn man ihn immer um sich hat? Nach dieser 30 km Wanderung in Sand und Kies und ueber viele Felsbrocken hinweg, durch Hoehlen und Wasserloecher mit etwas wenig Trinkwasser im Beutel schmeckte mir die kuehle Limonade unseres Zeltnachbarn zurueck auf der Hauptstrasse wie goettlicher Nektar (falls der gut schmeckt) und ach, wie haben wir unsere erste heisse Dusche nach dreissig Tagen genossen! Luxus ist relativ und Reisen ist eine sehr gute Art, Relationen zu erleben.
Was ist Fortschritt?
Eine meiner Lieblingsgeschichten zum Thema "Relationen". Es sind die Jahre der Industrialisierung in Europa. Die grosse Mehrheit der Arbeiter lebt einen knallharten Alltag mit kaum Pausen, kaum Freizeit, kaum Sicherheit und zu wenig Essen. Zur gleichen Zeit sitzt ein Aborigine froehlich singend am Lagerfeuer und bereitet das eben erlegte Kaenguruh zu, waehrend seine Frauen Knollen putzen und plaudern. Nach getaner Arbeit setzen sich alle gemuetlich in den Schatten eines Baumes und erzaehlen Geschichten ihrer Vorfahren. Was wuerden sie wohl sagen ueber den Lebensstil des europaeischen Arbeiters? Vielleicht etwa: "Es ist hart, in einem Drittweltland zu leben."
Leider treffen wir auf unserer Fahrt durch die Kimberleys, wo immer noch sehr viele Aborigines leben, nicht mehr auf diesen traditionellen Lebensstil. Man sieht sie dafuer im Laden Suessigkeiten, Softdrinks und Bier einkaufen und die Anzahl achtlos fortgeworfenen Buechsen unter jedem Baum ist erschreckend. Erst in Darwin bekommen wir etwas mit von der stolzen Kultur. An der Preisvereihung eines nationalen Kunstwettbewerbes sind die Tanz- und Musikdarbietungen sehr beeindruckend und die teuersten Bilder der Ausstellung sind auf knapp 30'000 Dollar dotiert!
Ganz so teuer dotieren wir unsere geliebte Lizzy nicht. Mit schwerem Herzen verkaufen wir diese treue Autoseele an einen unbeschwerten Englaender fuer immerhin mehr Geld, als wir sie gekauft haben. Mit ihrem Verkauf geht unser Campingleben zu Ende und der "Backpacker-Luxus" beginnt ums Neue...
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