Brasilien


Rio de Janeiro, 23.2.07    


Von Wasserfall bis Karneval


Blaues Nass und tobende Fälle
Ein Juwel von einer Unterkunft erwartet uns in der brasilianischen Variante der Ortschaft Iguassu. Ein Hostel mit Zeltplatz und dazu Küche, Internet, Volleyballfeld und Liegestühlen am blauen Swimmingpool. Leider ruft nicht nur das blaue, sondern auch das grosse Wasser nochmals und der Nachmittag an der brasilianischen Seite der Iguassu Fälle ist definitiv nicht verschwendet. Es gibt zwar nur einen Aussichtssteg, dafür ist dieser Blick fantastisch: schön, wild und fotogen. Wir haben uns auf einen mehrstuendigen Besuch eingestellt und ein paar Sandwiches mitgebracht, die wir zwischen den Knipsphasen genüsslich verzehren, während wir ein paar Nasenbären beim Spielen zuschauen. Auch am Abend reicht es nicht mehr für einen Schwumm. Wir werden in der Küche aufgehalten, wo wir im Gespräch mit zwei Brasilia-nern (von Brasilia) feststellen, dass wir einerseits doch recht gut Spanisch können (gemessen daran, was wir nun (nicht) verstehen) und andererseits halt doch nicht gut genug (um es nun auf Portugiesisch ableiten zu können). Schliesslich springen wir am nächsten Morgen noch schnell hinein ins blaue Nass, bevor uns ein Bus über Nacht nach Rio fährt.

Rios zwei Gesichter
Mit gemischten Gefühlen setzen wir den Fuss auf den (Bus-) Bahnsteig. Rio während des Karnevals ist – so haben uns alle ringsum gesagt – teuer, gefährlich und ausgebucht. Ganz so schlimm wird es nicht: Mit etwas Glück ergattern wir sogleich zwei zahlbare Betten, mit etwas Dummheit ersteigern wir zwei masslos überteuerte Tickets für den Sambadrome und mit etwas Vorsicht kommen wir ohne Verluste durch die Woche. Dennoch bleiben die gemischten Gefühle haften. Rio hat einen zwiespältigen Charakter. Da haben wir zum Beispiel die wunderschönen schneeweissen Sandstrände mitten in der Stadt, die tagtäglich von Tausenden von Leuten mit Plastikbechern, Pappschalen und Aludosen verdreckt werden. Der Spurt vom Badetuch zum rettenden kühlen Meer wird so nicht nur wegen dem brandheissen Sand zu einem Abenteuer. Oder dann die wunderbare Aussicht vom Jesusstatuen-Berg auf die Stadt, die man vor lauter Leute schlicht nicht zu sehen bekommt. Und dann natürlich der Karneval selber. Was auf der Strasse läuft ist meiner Meinung nach eine Mischung zwischen Street Parade und Banntag. Es läuft was, es gibt was zu Essen und die U-Bahn läuft 24 Stunden am Tag. Die Show im Sambadrome hingegen, ist eine gewaltige Sache – ein Feuerwerk von Glanz und Spektakel. Die riesigen Wagen sind mit grösstem Aufwand gebaut und liebevoll geschmückt, Tausende von Tänzern tanzen in Tausenden von teuersten Gewändern. Es ist von berauschender, einmaliger und irgendwie traurig vergänglicher Schönheit.

Im Favela
Am Dienstagmorgen ist der Karneval plötzlich vorbei. Nicht, dass sich dies auf die Bettenpreise oder die Menschenmenge am Strand ausgewirkt hätte, aber die U-Bahn fährt nicht mehr und das Dienstags-Event im Sambadrome, das wir auf der offiziellen Organisatoren-Seite im Internet angekündigt gesehen haben, findet nun doch nicht statt. Also buchen wir stattdessen eine Favela-Tour – einen geführten Spaziergang durch eines dieser berüchtigten Armenviertel. Was wir an Baumasse sehen, ist keineswegs armseliger als was wir anderswo in der Welt gesehen haben. Es ist mehr die explosive Nähe von Arm und Reich, die beeindruckt und die Mafia-Gegenwart, die wir durch ein paar bewaffnete Favela-Wächter bestätigt sehen. Leider ist unser Führer durch die Gruppengrösse schwer überfordert und so bekommen wir vom informativen Teil nicht viel mit. Dafür geniessen wir es, uns zwei Stunden lang mit der Kamera frei bewegen zu können, (eine Seltenheit in Rio) und mit den Leuten zu plaudern, so gut wir halt können. Zu unserer Überraschung stören sich die Favela-Bewohner überhaupt nicht über die 17 Ausländer mit den vielen Kameras, sondern sind ausgesprochen fröhlich und von unschlagbarer Freundlichkeit. Ja, vielleicht kommen wir hier im Favela dem wahren Rio am nächsten – unter der Leitung einer Tour und bewacht von Mafiagangstern. Ironie pur.

Abschied von Südamerika
Unseren letzten Tag in Südamerika verbringen wir am Strand von Ipanema und geniessen die heissen Nachmittagsstunden im Schatten eines Sonnenschirmes. Es ist Zeit des Rückblicks. Wir schreiben uns die Höhepunkte unserer Reise auf und lassen die allerschönsten Momente der letzten zwei Jahre Revue passieren. Alle Wertsachen haben wir im Hostel gelassen. Als alles Geld in Form von Caipirinhas in unsere Bäuche gewandert ist, verlassen wir das Strandcafé und stürzen uns in den Atlantik, den wir am nächsten Tag überfliegen werden, auf dem Weg zurück in die alte Welt.


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