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Futaleufu, 4.2.07
Im Land der Extreme
Land in Sicht
Der kleine Monitor vor uns zeigt das gleiche endlose Blau wie das Fenster
neben uns; im Halbschlaf versuchen wir noch ein paar Spanischwoerter
hineinzubeigen: Nervositaet vor dem ersten Test. Dann taucht ploetzlich Land
auf und eine Landebahn, deren Laenge in etwa der Breite des Inselchens
entspricht, das wir ansteuern. Eine steinerne Figur starrt unbewegt auf die
Horde von Fluggaesten, die aus dem Flugzeug stroemen. Es ist ein moderner
Moai, der uns willkommen heisst auf der Osterinsel. Das gemuetliche Bett in
der kleinen familiaeren Herberge lockt, so aber auch der blaue Himmel und
die Aussicht auf ein paar echte Moais, die irgendwo auf der Insel auf uns
warten. Ein 10 Kilometer langer Spaziergang entlang einer zauberhaften
Kueste und ein paar zerfallener Ruinen bringt uns zum Ahu Akivi - eine Reihe
grossartiger Steinfiguren mit ruhendem Blick aufs Meer. Wir haben die sieben
Gesellen ganz fuer uns alleine im Glanz der untergehenden Sonne - Ahnen und
Beschuetzer einer verlorenen Kultur.
Nach einer erfrischenden Nacht und einem motivierenden Fruehstuecksgespraech
auf Spanisch machen wir uns erneut auf, diese kleine huebsche Insel zu
erkunden. Mit dem Scooter geht es zum Rano Ranaku, der Geburtsstaette der
Moais, wo die Kerle gross und klein aus dem Vulkangestein gehauen wurden und
noch heute zu Hunderten verlassen herumliegen. Nahebei stehen die 15 Moais
des Ahu Tongariki, die groessten, die (wieder) stehen und die meisten dazu.
Hier versuchen wir insgesamt drei Mal unser Glueck, ein bisschen blauen
Himmel zu erwischen, aber die Sonne honoriert unseren Einsatz nicht. Eine
Wanderung fuehrt uns zum Krater des Rano Kao - einer der drei Vulkane,
dessen Eruptionen die Insel geformt haben. Heute ist der Vulkan laengst
nicht mehr aktiv, aber die eigentuemliche Bewachsung des Kraters geben
dennoch den Eindruck, vor einem grossen Kochtopf zu stehen. Mit dem Velo
schliesslich erkundigen wir die Nordkueste der Insel mit zwei
wunderhuebschen Sandstraendchen und vielleicht unserem (meinem)
Lieblings-Ahu: fuenf mannshohe Figuren vollkommen mit rotem Haarknoten und
schoen gelegen. Ein Schnorchelgang im wilden azurblauen Pazifik und ein
Besuch im Museum runden unseren Aufenthalt auf Rapa Nui ab: funef wunderbare
Tage auf einer zuaberhaften Insel beschuetzt von unbekannten Ahnen einer
vergessenen Kultur.
Koloniale Bauwerke und bunte Haeuser
Santiago beeindruckt mit einem wohlorganisierten oeffentlichen
Transportsystem, unzaehligen Baeckereien mit leckerem Gebaeck und imposanten
Kolonialbauten. Der billigste Backpacker aus dem Reisefuehrer entpuppt sich
als zweistoeckige Villa komplett mit bemalten Decken, Kronleuchtern und
geschnitztem Treppenhaus. Nach acht Monaten australischem Billigtoast und
Spanplatten-Baustil fuehlen wir uns gleich wie zu Hause. Der positive
Eindruck haelt auch in Valparaiso an, mit dessen farbenpraechtigen
Haeuserreihen wir unsere Speicherkarten fuellen - leider mit weitgehend
schlechten Fotos. Waehrend Nico verzweifelt einen vernuenftigen Ausschnitt
in dieser chaotischen Buntheit sucht, vergnuege ich mich mit einer Fahrt in
einem der vielen hundertjaehrigen Aufzuege, fuer welche die Stadt beruehmt
ist. Eine einzigartige Stadt, so fand die Unesco und erklaerte sie zum
Welterbe. So finden auch wir und bleiben noch eine Nacht.
Die vollkommenste Wueste der Welt
Die frischgewaschene Waesche ist schon nach 40 Minuten knochentrocken,
Lippen und Haut bekommen Risse und ausserhalb der Oase scheint nicht einmal
ein Kaktus genug Feuchtigkeit zum Leben zu finden. Dies ist Atacama - der
trockenste Ort der Welt. Eine 22-stuendige Busfahrt hat uns nach San Pedro
de Atacama gebracht, ein Touristenboomstaedtchen bevoelkert von ein paar
Lamazuechtern, einigen Souvenirverkaeufern, vielen Gasthausmanagern und
eindeutig zu vielen Touranbietern. Wir verbringen einen halben Tag damit,
das Angebot kennenzulernen und Plaene zu schmieden, nur um am naechsten Tag
festzustellen, dass das eine Buero die Tour an diesem Tag nun doch nicht
anbietet, die andere ihren Preis geaendert hat und das dritte gerade ihr
Auto reparieren muss... Dennoch, die Schoenheit der Landschaft ist
beeindruckend. Neben einem spektakulaeren Sonnenuntergang im Tal des Mondes
und einem Sonnenaufgang bei den 76 Geysiren des El Tatio Geysirfeldes (von
welchen leider nur ein paar eine Show bieten) sehen wir Flamingos und
Vicunas, besuchen ein paar Kirchen aus Vulkangestein und versuchen uns beim
Sandboarden. Viellicht der Hoehepunkt ist die Nacht an der Lagune Miscanti
auf gut 4000 Metern Hoehe. Die kleine moderne Huette bitet einen
Postkartenblick auf die Lagune und ein paar der fuenf bis sechs Tausend
Meter hohen Vulkane der Anden - und diese Schoenheit haben wir ganz fuer uns
allein bis am naechsten Morgen die Tourbusse einfahren...
Nach sechs Tagen trennen wir uns durchaus ungern von diesem unwirtlichen
Stueck Erde und nehmen ein paar Busse nach Calama-Iquique-Arica ueber die
Grenze auf ins unbekannte (wir haben keinen Reisefuehrer) Peru. Bis jetzt
hat uns Chile gut gefallen.
Wie aus dem Bildband
In Puerto Natales treffen wir auf zwei alte Bekannte: den Pazifik in seiner
Wildheit etwas gezaehmt durch eine Reihe bergiger Inseln und den nassen und
trueben Herrn Regen. Uns ist das Wetter ganz Recht. Um alle unsere Vorraete
einzukaufen, das Gepaeck zu organisieren und meinen Argentinienkoller
auszuheilen benoetigen wir eh eineinhalb Tage und als wir im Bus zum Torres
del Paine Nationalpark fahren, scheint die Sonne bereits wieder vom Himmel,
als waere sie nie fort gewesen. Der erste Abend im Park bleibt unvergessen –
ein Anblick wie aus dem teuersten Patagonien-Bildband: ein gletschergruener
See unten, ein strahlendblauer Himmel oben und dazwischen die kuriosen
schwarzweiss gestreiften Paine-Hoerner (Cuernos del Paine). Ebenfalls
erinnerungswuerdig ist der letzte Morgen im Park – sechs Tage spaeter – als
wir im Windschatten des umherliegenden Felsgeroells unseren
Fruehstuecks-Haferbrei kochen und dabei zusehen, wie das Gestein der
Paine-Tuerme (Torres del Paine) langsam von orange zu gelb, weiss und
schliesslich granitgrau wechselt. Zwischen diesen zwei Momenten liegen sechs
wunderbare Wander- und Campingtage mit nur einem, dafuer langen und nassen
Regenguss. Und waehrend unsere Beine langsam schwer werden, wird unser
Rucksack langsam leichter und unsere Speicherkarte langsam voll.
Der suedlichste Punkt
Cabo Froward heisst der suedlichste Punkt des amerikanischen Festlandes –
und dies ist unser naechstes Ziel. Nicht, dass wir noch ueber mehr als fuenf
Tage verfuegt haetten, bevor unsere Faehre gegen Norden abdampfte, aber wir
bildeten uns irgendwie ein, es sei moeglich, in dieser Zeit mit dem Bus ein
paar Stunden nach Puntas Arenas zu fahren, dort mit Autostopp bis zum
nochmals hundert Kilometer suedlicher gelegenen Fort Bulnes zu gelangen und
dann die restlichen 40 Kilometer der Kueste entlang zu krakeln bis zum
angepeilten Kap. Und das Ganze natuerlich auch wieder zurueck. Nun, Bus
fahren war einfach und Autostopp an einem sonnigen Sonntag ebenfalls. Und so
standen wir am ersten Nachmittag tatsaechlich bereits beim Ausgangspunkt der
Wanderung und legten noch ein paar Stunden zu Fuss zurueck, bevor wir in
einer Mini-Lichtung unser Zelt aufstellten und ueber dem Lagerfeuer am
Strand unsere Nudeln kochten. Es war ein herrlicher, warmer Abend und auf
der anderen Seite der Magellanstrasse leuchtete die Cordillera Darwin im
Sonnenuntergang, waehrend ein paar Delfine an uns vorbeischwammen. Das ist
Patagonien pur. Haetten wir am naechsten Tag nicht zufaellig ein
Whalewatching-Touristenboot angetroffen, haetten wir das Kap wohl nicht
erreicht. So standen wir aber bereits an unserem zweiten Tag oben beim
Kreuz, das den suedlichsten Punkt des katholischen Kontinents der Kirche
unterstellt und genossen den unberuehrten Anblick von Wind und Wellen.
Die Wanderung zurueck war dann definitiv ein Abenteuer. Es galt rutschige
Klippen zu umklettern, ueber Baumstaemme zu krakeln und durch brusttiefe
Fluesse zu waten. Mit Sack und Pack. Aber solange das Wetter anhielt,
belohnten uns zweisamen Stunden am Lagerfeuer fuer unseren Einsatz und das
Glueck blieb uns treu. Als am letzten Tag der Regen einsetzte und wir nach
ein paar Stunden pudelnass und langsam auch frierend die Strasse erreichten,
nahm uns ein Auto zurueck nach Punta Arenas. Es war wohl das einzige, das an
diesem Nachmittag in die Stadt fuhr.
Man spricht Deutsch
Die Faehrenfahrt von Puerto Natales nach Puerto Montt dauerte drei Tage und
war gepraegt durch ausgiebiges Essen, truebes Wetter und eine weitgehend
Deutsch sprechende Kundschaft. Wir genossen es, uns wieder einmal mit allen
moeglichen Leuten zu unterhalten und verbrachten ganze Mahlzeiten getrennt –
eine Seltenheit in diesen zwei Jahren. Leider gibt es am zweiten Abend einen
neuen Grund fuer eine getrennte Mahlzeit: ich verbringe den Abend im Bett
und hoffe, dass schlafen gegen die Wellen im Kopf helfen wird…
Nach zwei Tagen Erholungszeit im wiederum deutsch gepraegten Puerto Varaz
(diesmal sind es die Einheimischen, die Deutsch sprechen), erkunden wir
zeltend ein paar Tage die Holzkirchen und Stelzenhaeuser der Insel Chiloé.
Zurueck auf dem Festland verbringen wir unsere zwei letzten Tage in Chile im
beruehmten Rafting-Dorf mit dem schoenen Namen Futaleufu. Der gleichnamige
Fluss gehoert zu den wildesten befahrbaren Gewaessern des Kontinenten und
trotz des stolzen Preises goennen wir uns eine dreistuendige Fahrt durch das
manchmal gruene, aber meist weissschaeumende Wasser. Waehrend unsere
Mitfahrer Chilenen sind, so erstaunt es uns irgendwie nicht, dass der
Fuehrer im Boot Deutsch spricht. Diesmal ist es ein uns durchaus vertrautes
Berndeutsch.
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