Neuseeland


Christchurch, 21.5.06    


Im wunderschoenen Kiwiland


Prolog
„Und, wie gefaellt Euch unser wunderschoenes Land?” Wir sind im Zentrum der Nordinsel unterwegs und draussen bietet sich ein bereits wohlbekannter Anblick: gruene, huegelige Farmlandschaft mit (erstaunlich vielen) Kuehen und (wenig) Schafen, unterbrochen von Waldstuecken, dessen Baeume etwas zu oft den Anschein haben als seien sie absichtlich in Reihen angepflanzt worden. (Was sie wahrscheinlich auch sind.) Dennoch entscheiden wir uns fuer ein enthusiastisches „Sehr gut!“, schliesslich wollen wir unsere Chauffeuse nicht veraergern und zweitens haben wir ja auf der Nordinsel tatsaechlich bereits einige ganz spezielle Momente erlebt, die wir uns nochmals vor Augen fuehren.

Besondere Swimmingpools
Vielleicht zuoberst auf dieser Liste ist Ruamahunga Bay (Coromandel Peninsula). (Wer diesen Namen kompliziert findet, sollte vielleicht fuers naechste Quizspiel nicht die Geografie Neuseelands als Schwerpunkt waehlen.) Hier befindet sich ein kleines Haeuschen mit wunderschoener Sonnenuntergangsaussicht auf den Firth von Thames, das wir beziehen duerfen. Mit zu diesem unschlagbaren Angebot gehoeren ausserdem ein Auto und nachbarliche Fuersorge. Wer verdenkt es uns, dass wir etwas laenger bleiben als geplant...
Von Ruamahunga Bay aus machen wir mehrere mehrtaegige Touren. Eine fuehrt uns durch das vulkanisch aktive Gebiet von Rotorua und Taupo mit herrlichen eisblauen, giftgruenen, dreckig-braunen, rostroten, pechschwarzen, kochenden, dampfenden, blubbernden und schaeumenden Pools – einige davon aeusserst fotogen, andere herrlich zum Baden. Die Gegend ist ausserdem beruehmt fuer ihre Maori-Kultur. Also tanken wir ein bisschen Kultur bei einer Tour durch das Te Whakarewarewatanga O Te Ope Taua A Wahiao - Thermaldorf, (das ich vorallem deshalb erwaehne, weil es den schoensten aller unaussprechbaren Namen traegt!) Mit zur Tour gehoert natuerlich eine Tanzshow inklusive Haka (Kriegstanz).

Im Land des Boesen
Auf einem weiteren Ausflug erwandern wir in vier Tagen das Vulkangebiet des Tongariro Nationalparks auf einem der neun beruehmten „Grossen Touren“ Neuseelands. Was wir als zweiten Tag auf dem Programm haben, ist als Tageswanderung sehr populaer; Hunderte von Touristen werden jeden Tag von Spezialbussen an einem Ende abgeladen und am Abend am anderen Ende wieder aufgelesen. Dass Peter Jackson diesen Ort als Drehort fuer Mordor ausgewaehlt hat - dem Land des Boesen in Herr der Ringe - hat der Popularitaet natuerlich keinen Abbruch getan. Unserer Meinung nach ist die Wahl perfekt, schade ist nur, dass man im Film ausser ein paar Brocken Lavagestein von der Gegend ja gerade ueberhaupt nichts zu sehen bekommt. Aber es waere durchaus eine huebsche Mordorlandschaft gewesen, haette Jackson nicht diesen kuenstlichen, rotes Licht speienden Kitschhuegel dem echten „Mt. Doom“ vorgezogen! Wie dem auch sei, wir geniessen diese herrliche Gegend bei seltenem strahlend blauem Himmel und zum Glueck mehr Zeit als all diejenigen, die auf den Retourbus eilen muessen.

Spezielle Begegnungen
Unsere dritte Tour fuehrt uns nach Northland, Land der letzten Kauri-Baeume, netten Straenden und Duenen und vielen Inselchen. Wir besichtigen einige der Kauri-Riesen (bis zu 4000 Jahre alt), spueren einen wilden Kiwi (Vogel) auf (etwas ganz Besonderes, das vorallem Neuseelaendern Eindruck macht!) und leisten uns einen Tauchgang bei den Poor Knights Inseln, die beruehmt sind fuer Hoehlen und Durchgaenge, sowohl unter als auch ueber Wasser. Der Tag mit einem Tauchgang und einer kleinen Kajaktour ist ein Erfolg und bringt uns mit einigen interessanten Leuten zusammen, wie zum Beispiel Ants, der mit aufs Boot kam, um fuer die Freedive-Meisterschaft zu trainieren. Ziel sind 80 Meter ohne irgendwelche Hilfsmittel, ausser riesigen Flossen. Dieses Mal taucht er „nur enttaeuschende“ 70 Meter. Mit auf dem Boot ist auch Nick, ein netter Kanadier, von Beruf Soldat und momentan in Afghanistan stationiert, wo er mit seinen Kollegen „den Feind“ bekaempft und die Unterstuetzung der Bevoelkerung mit Essen und Medikamenten zu erkaufen sucht. Er schwaermt davon, „endlich richtig im Einsatz“ zu sein und von den Action-Bilder, die er waehrend Bombardierungen geschossen hat. Nun ja. Wir bevorzugen unsere Fotos von Vulkanlandschaften und Sandduenen...

Die echte Kiwi-Experience
Nach knapp sechs Wochen sagen wir Ruamahunga Bay definitiv Adieu und trampen quer durch die Nordinsel nach Wellington, mit der Faehre weiter auf die Suedinsel und Nelson. Autostopp in Neuseeland ist eine echte Erfahrung. Nicht nur wird man haeufig sofort mitgenommen – sofern es Verkehr hat – und kommt so billig durch die Gegend, sondern man lernt auch haufenweise interessante Kiwis (Leute) kennen mit all den typischen Kiwi-Eigenschaften. Die ausgepraegteste davon ist wohl der unschlagbare Nationalstolz. Beispiele gefaellig? „Welches Land hat Euch bisher am Besten gefallen? Neuseeland? Gute Antwort!“ (Wir zucken mit den Schultern. Niemand hat etwas von Neuseeland gesagt.) oder, wir: „Tasmanien ist wunderschoen, absolut herrliche Landschaft!“ – „Ach ja, Tasmanien ist vielleicht ganz aehnlich wie Neuseeland.“ Oder: „Wie lange seid Ihr in Neuseeland? Was, nur 10 Wochen?!“ Daneben erfahren wir aber auch ein paar huebsche Geschichten und plaudern ueber die wichtigen Themen im Land: Farmen, Rugby, Jagen und Fischen. Vielleicht der Hoehepunkt unserer Autostoppkarriere ist die erste Fahrt auf der Suedinsel. Der junge frischverheiratete Muschelfarmarbeiter haelt unterwegs bei einer Confiserie fuer eine kleine Gratisprobe, fuehrt uns trotz Regen auf einen Aussichtshuegel fuer einen Blick auf die Kuestenlinie und laedt uns dann zu sich nach Hause ein fuer die Nacht – eine Einladung, die er nach Absprache mit seiner Frau leider zuruecknehmen muss. Schade. Also trampen wir halt weiter nach Nelson.

Ungewoehnliches Gestein
Hier beschliessen wir, uns fuer ein paar Tage ein Auto zu mieten. Die Plaetzchen, die wir besuchen wollen, sind etwas gar abgelegen und ueber die ganze Insel verstreut, um einfach ohne eigenes Transportmittel hinzukommen. Ausserdem hat ein Auto den ganz einfachen Vorteil, dass die Miete billiger kommt als der billigste Backpackers fuer zwei Personen! Und wenn man dann das Auto hat, dann kann man ja auch noch dorthin fahren und dahin und... Unsere Route durch die Suedinsel ist entsprechend wild. Aber wir packen alles hinein, was wir auf der Liste haben und machen 15 Tage hardcore Sightseeing. Als erstes fahren wir ganz in den Norden der Suedinsel an den Farewell Spit. Es dauert zwei Tage, bis wir endlich schoenes Wetter haben. In dieser Zeit spazieren wir insgesamt fuenfmal den Weg hin und zurueck vom Parkplatz (und Schlafplatz) hinunter an den Whararikistrand – unserem Lieblingsplaetzchen in diesem „wunderschoenen“ Land. (Zweimal Sonnenaufgang, zweimal Sonnenuntergang und einmal Recognoszieren...). Unterschiedlich hartes Gestein hat hier einen Ort mit Inseln, Hoehlen, natuerlichen Bruecken und Durchgaengen geschaffen, toll zum Erkunden und vorallem zum Fotografieren. Und als waere dies nicht sehenswert genug, spielen auch noch eine Hand voll junger wilder, aber neugieriger Seehunde in einem der vielen Felspools. Sie sind so zutraulich, dass man sie beruehren kann!
Weiter geht es die Westkueste hinunter, die etwas unter unseren Erwartungen bleibt und leider das ploetzliche Ende unserer geliebten Kamera miterlebt. Wir verbringen einen Tag in Greymouth, wohin am Tag darauf unsere neu erworbene Kamera geschickt wird. (Es lebe das Internet!) Neu ausgeruestet machen wir uns bei weiterhin strahlendem Wetter auf den Weg ueber mehrere attraktive Passstrassen, vorbei an Mt. Cook, den Seen Pukaki und Tekapo an die Ostkueste nach Moeraki. Auch hier fasziniert uns, was die Wellen im Laufe der Zeit aus dem weichen Gestein gewaschen haben: in diesem Fall sind dies runde Gesteinskugeln, die am Strand herumliegen, als haetten letzthin einige Riesenkinder ihre Spielmurmeln vergessen.

Wettbewerb der Tiere
In Dunedin deponieren wir die Haelfte unseres Gepaecks und erkundigen dann die Kuestenlandschaft der Catlins. Ein weiterer Leuchtturm schafft es in die Liste meiner Lieblingsplaetzchen auf dieser Welt. Wir bleiben auch hier zwei Naechte fuer zwei Sonnenunter- und zwei Sonnenaufgaenge. Zwischendurch hocken wir uns an den Strand zu den Seeloewen, die ihr Mittagsschlaefchen halten, und sitzen dann in ein Versteck und schauen den Gelbaugenpinguinen zu, wie sie aus dem Wasser kommen. Im internen Wettbewerb „der amuesantesten Strandankunft“ liefern sich die beiden Tierarten einen harten Kampf. Ich denke, das Einzel geht an den Seeloewen Leo, der urploetzlich aus dem Wasser getanzt kommt, bevor er sich in den Sand plumpsen laesst und sich dann so richtig waelzt, waehrend die Pinguine im Doppel und Simultanwettkampf ueberzeugen.

Der Masterplan
Zurueck in den Alpen geben wir in Queenstown unser Auto ab und sind von da an wieder Mitfahrer. Der dreitaegige Routeburntrack bringt uns durch gruenen Zauberwald mitten in die weisse Bergwelt des Mt. Aspiring und des Fjordland Nationalparks. Das Wetter spielt mit: leichter Regen im Regenwald und blauer Himmel zum weissen Schnee. Die Wanderung gehoert ebenfalls zu den neun „Grossen Touren“ und ist wirklich fantastisch. Wir wandern 32 Kilometer und landen kurz vor dem beruehmten Milford Sound. Dies ist eine praktische Abkuerzung: mit dem Auto faehrt man dafuer gut 300 Kilometer in einem riesigen Bogen! (Und da wir einiges Gepaeck in Dunedin gelagert haben, koennen wir den ganzen Rest mittragen.)
Nach drei Tagen Natur pur ist der Milford Sound ganz einfach zu komerziell fuer uns. Die Bootsanlegestelle sieht aus wie eine Flughafenankunftshalle und das Informationszentrum entpuppt sich als Ticketschalter mit vier verschiedenen Touranbietern, je fuenf verschiedenen Booten und zehn verschiedenen Preisen. (Ein interessantes Konzept der Verwirrung: schlussendlich machen alle genau dieselbe Route.) Wir fluechten in die einzige Lodge an Ort und nach der Pflichtsbootstour am naechsten Morgen, die gar nicht so schlecht ist, beginnen wir die Rueckreise. Ein Schweizer Paerchen nimmt uns mit nach Te Anau und von da schaffen wir es in zwei Tagen zureuck nach Dunedin, einer Stadt mit eindeutig schottischem Touch (Dun-edin entspricht Edin-burg), einigen schoenen viktorianischen Gebaeuden und der steilsten Strasse der Welt. Wir holen unser Gepaeck ab und trampen hoch nach Christchurch, unserer letzten Station.

Epilog
Unsere zweitletzte Chauffeuse ist wieder eine der typischen Kiwis. Ihr gefaellt alles auf dem Weg und wir verbringen einen sehr gemuetlichen Tag in ihrem Autos mit Halt an allen interessanten und weniger interessanten Stationen unterwegs. Aber nach unseren vollgepackten gut drei Wochen auf der Suedinsel sind wir durchaus bereit fuer ein paar kleinere Sehenswuerdigkeiten und wir sind nun ebenfalls bereit dazu, die richtige Antwort zu geben auf die obligate Frage, wie es uns gefallen hat in diesem „wunderschoenen Land“. Nun, es hat uns sehr gut gefallen.


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