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Dili, 11.12.05
Unterwegs im juengsten Land der Welt
Ein unvergesslicher Tag
Den Tag, an dem wir nach Dili kamen, werden wir so schnell nicht vergessen. Am Abend des 24. Novembers sitzen wir in unserem Zimmer in Dili und, waehrend uns von hinten die Klimaanlage in den Nacken blaest, strahlen uns aus dem Fernseher vor uns die Hoehepunkte des gestrigen Championsleague-Abends entgegen. Gemuetlich auf dem Bett liegend nehmen wir noch einen Bissen unseres Chicken Burgers...
Was an sich schon ziemlich aussergewoehnlich scheint, ist fuer uns noch viel unglaublicher nach diesem ereignisreichen Tag, dessen letzte Stunden (eine wurde uns noch an der Grenze geklaut) wir jetzt geniessen.
Der Tag begann in der westtimoresischen Provinzstadt mit dem zungenbrecherischen Namen Kefamenanu: Wir kaufen eine Flasche Wasser und lassen die angefangene WC-Rolle aus dem Hotelzimmer mitlaufen (nicht ahnend, welcher Luxus uns erwarten sollte). Nachdem uns der Bus gestern zuegig von Kupang nach Kefa gebracht hat, sind wir zuversichtlich, die restlichen 60 Kilometer bis zur Grenze noch vor dem Mittag zu schaffen. Leider sind die Goetter des oeffentlichen Verkehrs an diesem Morgen nicht milde gestimmt. Wir verpassen wahrscheinlich den ersten Bus und warten dann, bis sich der naechste langsam fuellt. Der Fahrer taeuscht die Abfahrt zwar ein paarmal an - es handelt sich jedoch jeweils bloss um jaemmerlich ausgefuehrte Umparkmanoever. Brigitte bekommt die erste Nervenkrise und der Fahrer nutzt die Gelegenheit, um abermals zu verschwinden. Nach eineinhalb Stunden geht es endlich los. 100
Meter ausserhalb des Parkplatzes halten wir dann nochmals an, damit alle diejenigen, denen die letzten eineinhalb Stunden nicht gereicht haben, etwas zu essen kaufen koennen. Der Fahrer stockt noch seinen Zigarettenvorrat auf, bevor wir die naechsten paar Kilometer in Angriff nehmen. Wir stoppen hier und dort, nehmen Umfahrungen und fluchen leise vor uns hin, wenn wir gerade wieder umdrehen, um irgendjemanden mitzunehmen, der vergessen worden ist. So gehen weitere eineinhalb Stunden verloren, bis wir den Ort erreichen, wo wir umsteigen muessen. Natuerlich muessen wir dort zuerst tanken, bevor wir eine weitere halbe Stunde scheinbar planlos durch die Gegend fahren. (Vielleicht wollten wir auch der Tante des Fahrers einen Besuch abstatten. Sie war jedenfalls nicht zu Hause). Nun flehen wir (oder war es schreien?) den Fahrer an, er solle uns endlich zum Busbahnhof bringen, da wir noch
heute ueber die Grenze wollen, und es wird klar, dass der Typ entweder bloed oder boesartig ist. An dieser Stelle sollte ich noch erwaehnen, dass heute der letzte Tag unseres Visums laeuft und jeder ueberzogene Tag mit 25 US-Dollar pro Person berechnet werden wuerde. Als wir endlich ankommen, huepfen wir in den erstbesten (und vielleicht auch einzigen) Minibus, der heute noch zur Grenze faehrt. Natuerlich muss auch dieser noch tanken, und er tut dies gleich an drei verschiedenen Tankstellen! Als wir ausnahmsweise gerade einmal zuegig voran kommen, stellen wir einen ungewoehnlich starken Benzingeruch fest. Der Fahrer putzt das Auto und wir warten weitere zwanzig Minuten. Die benzingetraenkten Rucksaecke interessieren uns weniger, da uns nun nur noch eine Frage beschaeftigt: Wann schliesst die Grenze? Jemand meint, um vier Uhr, jemand anderes, um drei Uhr. Es ist 15.20 Uhr! Ihr ahnt es
aber schon, wir haben es doch noch geschafft! Ein Dankeschoen an dieser Stelle an die indonesischen Zoellner, die uns prompt ausgestempelt und zu ihren osttimoresischen Kollegen weitergeschickt haben. Um 15.55 (hier 16.55) erhalten wir den Stempel fuer Osttimor. Wir sind die letzten Kunden des Tages. Leider ist der letzte Bus nach Dili schon weg, aber mit drei Stunden Zeit bis zum Sonnenuntergang fuehlen wir uns so unbeschwert, dass wir dem einzigen Taxifahrer einen Korb geben und uns mutig zu Fuss auf den Weg machen zur ersten Ortschaft, (wo es allerdings keine Hotels gibt) die angeblich etwa fuenf Kilometer entfernt sein soll (wir haben auch keine Karte, geschweige denn einen Reisefuehrer). Aber wie das Leben manchmal ist, folgen auf widrige Umstaende glueckliche Zufaelle. Ein letzter Taxifahrer, der sowieso zurueck nach Dili muss, nimmt uns fuer 3 Dollar pro Person (dies entspricht
dem Buspreis!) mit. Als wir die absolut fantastische Kuestenstrasse entlang brausen, weht der "Wind of Change" der Scorpions aus dem Radio und in unserem Ruecken geht die Sonne langsam unter ueber Westtimor. Zum ersten Mal seit Stunden koennen wir durchatmen. Zwei Stunden spaeter schiesst Adriano sein drittes Tor fuer Inter Mailand und wir doesen ein. Wir sind in einer anderen Welt angekommen.
Timor by Toeff
Waehrend den naechsten paar Tagen erholen wir uns von unserer Ralley durch Indonesien und lassen es erstmal ruhig angehen. Das Fruehstuecksbuffet im Dili Hotel ist sensationell (Muesli, Yoghurt, Broetli). Alles ist hier viel teurer als in Indonesien und man bezahlt in US-Dollars. Die richtig billigen Plaetze gibt es nicht. Beim Hotel haben wir aber immerhin das Gefuehl zu wissen, wofuer wir mehr bezahlen. Frisch erholt machen wir uns schliesslich auf, das neueste Land der Erde zu erkunden (geboren am 20. Mai 2002). Wir mieten einen Toeff und fahren entlang der Nordkueste in Richtung Osten und bauen noch einen Abstecher nach Sueden ins Landesinnere ein. Die Landschaft ist fantastisch: kilometerlange unverbaute, einsame Kueste, wuestenaehnliche Abschnitte und wilde gruene Berge. Und wenn einmal ein Dorf kommt, dann finden sich gleich noch mehr Fotogelegenheiten: malerische Strohhuetten, portugiesische Kirchen und interessante Menschen, die auch noch gerne fuer ein Bild posieren
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Mit einer groesseren Maschine ausgeruestet machen wir uns auf eine zweite Tour ins bergige Zentrum von Timor. Es ist wiederum sensationell, und mit ein paar heftigen Offroad-Passagen auch ziemlich anstrengend. Touristen treffen wir nicht sehr viele, aber die, mit welchen wir in Dili sprechen, sind allesamt begeistert. Die meisten Auslaender in Dili sind geschaeftlich hier und arbeiten fuer irgendwelche Organisationen. Wir hoffen, dass 20% davon ihr Geld wert sind.
Endlich frei
Am Morgen des 28. November treffen wir viele Leute auf der Strasse, die tanzen und feiern. Es ist der 30. Jahrestag der ersten Unabhaengigkeitserklaerung (von der portugiesischen Herrschaft). Ein Ereignis, das leider keinen bleibenden Eindruck in der Weltgeschichte hinterlassen hat. Neun Tage spaeter kamen die Indonesier und dreissig Jahre spaeter war ein Viertel der Bevoelkerung tot. Dies hinterliess dann einen mittelmaessigen Eindruck. Aber erst als der damals neue Praesident Indoensiens ueber die Unabhaengigkeit abstimmen liess und es in der Folge zu weiteren Ausschreitungen pro-indonesischer Militia kam, wollte der Rest der Welt nicht laenger zuschauen und UNO Truppen haben interveniert. Drei Jahre nach der zweiten Unabhaengigkeit bleiben noch viele Erinnerungen (sichtbare und unsichtbare), aber die Grundstimmung der Menschen ist doch erstaunlich positiv und vorsichtig optimistisch.
Waehrend den gut zwei Wochen in Osttimor haben wir nur gerade eine Yacht im Hafen angetroffen und die ging nach Bali. Unser Vorhaben, per Boot nach Australien ueberzusetzen, ist also leider schon an den Grundlagen gescheitert. Schweren Herzens beschliessen wir, die allerletzte Station auf unserem Weg nach Australien per Flugzeug zurueckzulegen, nachdem wir mit Bus, Bahn und Schiff bis Osttimor gekommen sind. Ungluecklicherweise handelt es sich auch noch um den wahrscheinlich teuersten Flug der Welt (300 US-Dollar fuer 1 1/2 Stunden). Wie auch immmer, am 11. Dezember 2005 heben wir ab von Dili ueber die Timorsee nach Darwin. Immerhin gibt es ein Mars an Bord.
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