Peru


Puno, 14.11.06    


Planlos durch Peru


Die weisse Stadt
Etwas planlos stehen wir in Tacna am Busbahnhof und beschliessen, erst einmal die hiesigen Gewohnheiten zu erkunden: Der Sol hat etwa 40 Rappen Wert, der Bankomat akzeptiert unsere EC Karte, die Toilette kostet und stinkt und das Mittagessen geht fuer 4 Soles und beinhaltet neben dem Hauptgang mit Fleisch eine Suppe und einen Tee (sieht also ganz so aus als ob Nico seine vermissten drei Kilo Koerpergewicht endlich wieder zurueckerhaelt.) Mit gefuelltem Magen und gefuelltem Portemonnaie lassen wir uns vom Geschrei der Busanbieter leiten und kaufen ein Ticket dahin, wo sie uns hinschicken wollen: Arequipa - noch nie gehoert, aber es scheint die normale Touristenroute zu sein. Also dann. Nach gut sechs Stunden steigen wir in einen Stadtminibus um und lassen uns ins Zentrum fahren. La ciudad blanca. Tatsaechlich. Ein wunderbares Stadtzentrum laedt zum Bummeln ein. Kirchen ueber Kirchen, Boegen ueber Boegen aus weissem Gestein gehauen und wunderschoen bearbeitet. Die Baukunst ist fast gefaehrlich schoen, denn eine Fussgaengerzone haben sie hier noch nicht erfunden. Wir finden dafuer ein nettes Hotel mit Balkon und schauen uns den weissen Zauber von oben an mit einem Pisco Sauer und El Misti im Hintergrund. Auch nach drei Tagen Kirchen besichtigen und Gassen bummeln ist uns Arequipa noch nicht verleidet. Wieso habe ich noch nie von diesem Ort gehoert?

Das Kreuz des Kondors
Der Colca Canyon soll die zweittiefste Schlucht der Welt sein. Uns zieht es aber nicht wegen ihrer Tiefe, sondern aus zwei anderen Gruenden in diese Gegend. Erstens wollen wir zum Kreuz des Kondors, ein Aussichtspunkt, wo jeden Morgen ein paar Paare dieser riesigen Raubvoegel ihre Kreise ziehen und damit zehn bis fuenfzehn Tourbusse taeglich anlocken. Zweitens habe ich mich in die Trachten der Leute auf den Postkarten verliebt, und hoffe, ein paar gute Fotos zu schiessen. Leider bin ich nicht die erste. Eine Abwehrhaltung gegenueber Kameras, Liebe zu amerikanischen Dollars, Massentourismus und, so meine Vermutung, eine allgemeine Abneigung zu Auslaendern ist eine unangenehme Mischung. Die Leute wollen sich nicht fotografieren lassen oder dann fuer teures Geld. Auch wenn die Trachten noch so fotogen waeren, ein Lachen kann man sich nicht erkaufen. Also bleiben nur noch die Voegel, die wenigsten nicht um Geld bitten nachdem sie ihre Schau abgezogen haben. Leider sind wir aber auch hier auf der Verliererseite. Um vier Uhr Morgens ziehen wir bereits los, um den ersten Bus zu erwischen. Nachdem wir vier Stunden vergeblich ausgeharrt haben, machen wir einen Spaziergang dem ganz huebschen, aber fuer Schweizeraugen nicht soo wahnsinnig imposanten Canyon nach, nur um von weit weg zu verfolgen, wie ein Kondorpaar den vielen Schaulustigen den Gefallen macht, genau ueber ihren Koepfen ein paar Runden zu drehen. Es scheint heute mal ausnahmsweise ausgeschlafen zu haben. Auch unser zweiter Versuch am naechsten Tag bleibt erfolgslos. Es ist ein Kreuz mit diesen Kondoren.

die goldene Stadt
In Cusco kombinieren sich die bisher dominierenden Peruerfahrungen. Eine weitere Schoenheitskoenigin der Staedte wird bevoelkert von vielen Touristen und noch mehr Souvenirverkaeufern. Waehrend wir durch die wunderschoenen Gassen bummeln, die reich geschnitzten Balkone bewundern, Kirchen von aussen und innen bestaunen und natuerlich der beruehmten Inka-Gasse einen Besuch abstatten, verfolgen uns Aquarellmaler, Schuhputzer, Postkarten- und Fingerpuppenverkaeufer, Massagen-, Touren- und Restaurantanbieter verteilen Zettel um Zettel und ein paar mehr ver- als traditionell ge- kleidete Frauen halten ihre Lamas vor unsere Linse. Dazwischen betteln ein paar Kinder um ein Foto (gegen Geld natuerlich) und ein paar aeltere Frauen und Maenner um Geld (ohne Foto). Es ist ermuedend fuer sie und uns. All unsere Versuche, den Leuten freundlich zu begegnen schlagen fehl. Sie suchen keine Sympathie, nur Kaeufer, wir suchen keine Fotomodelle, nur freundliche Gesichter. So leiden wir beide. Dennoch hat Cusco einen Charme, dem man sich schlecht entziehen kann. Dies war einst die goldene Hauptstadt eines Reichs, von dem wir in unserer langen Schulzeit erstaunlich wenig erfahren haben. Zu unserer Schande muss ich gestehen, dass wir unser Wissen nicht gross auffrischen. Wir schauen uns an, was uns gefaellt, ohne auf irgendwelche Touristennormen zu achten. Auch so laesst es sich geniessen.

Die heilige Stadt
Den Hoehepunkt jeder Perureise, das Muss aller Muss lassen wir uns aber nicht entgehen: Machu Picchu. Da wir bei Preislisten skeptisch sind, die in Dollars gefuehrt werden, und vorallem aber solchen, die zwischen Einheimischen und Touristen unterscheiden (letztere zahlen nur gerade 7 Mal soviel), begeben wir uns doch noch aufs Internet fuer eine kleine Recherche. Nach einer Stunde wissen wir nicht mehr ueber das alte Inkareich, aber haben eine Route herausgefunden, wie wir ohne Touristenzug nach Aguas Calientes gelangen. Die Hintertuer zu Machu Picchu. Gut, es ist ein kleiner Umweg von zwei Tagen (anstatt vier Stunden), aber dafuer hat man auch noch eine spektakulaere Busfahrt ueber einen 4600 Meter Pass auf der wohl kurvigsten Strasse der Welt mit dabei. Man erlebt, wie sich eine Strasse bei genug Regenfall in eine Rutschbahn verwandelt, macht Bekanntschaft mit freundlichen und enthusiastischen Peruanern (sie bauen gerade eine neue Bruecke und hoffen in Zukunft auf viele Touristen in ihrem Tal) und diskutiert mit ihnen ueber die letzte WM, und nicht zu vergessen, man naehert sich der heiligen Stadt zu Fuss, wie es sich gehoert. Es ist nicht der Inka-Weg, aber es ist ein schoener Spaziergang dem Fluss Urubamba nach mit Machu Picchu ueber sich thronend auf dem Kliff. Alles in allem also ein durchaus lohnender Umweg (keine Ahnung, wieso alle, die wir treffen fuer den Rueckweg dann doch den Zug waehlen...) Das Ziel aber, ist definitiv den Aufwand Wert. Das ominoese Machu Picchu, gelegen auf einem Huegel, der auf drei Seiten steil abfaellt und mit Sicht (falls man Sicht hat) auf Reihen von Bergketten. Waehrend Nico nach einem ganzen Tag Besichtigung noch zum Sonnentor rennt, esse ich eine Keks und bewundere die Ruinenstadt von oben, waehrend die Sonne durch die Wolken bricht und die Anlage mystisch beleuchtet. Was war es, eine Festung? eine Ritualanlage und Aufenthaltsort der Sonnenmaedchen? Was es auch war, die Lage der Stadt ist definitiv einzigartig.

Eine einfache Stadt
In Puno werden wir wieder auf den Boden der Realitaet zurueckgeholt. Die beiden Kirchen sind weder weiss noch schoen. Keine Gassen, keine Balkone, keine Torboegen. Puno ist nur eine einfache Stadt am Kaka-Ende des Titikakasees. Dafuer hat es einen quirligen Markt, wo wir mit Geld, Humor und Ueberredkuensten versuchen, ein paar Fotos der Leute zu ergattern. Wir kehren mit sechs Karotten, vier rohen Eiern, drei Aepfeln, ein paar Fotos und ein paar Tomatenflecken auf unseren Kleidern aus dem Kampf zurueck. So beladen besteigen wir den Bus ins nahe Bolivien.


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