Papua Neuguinea


Port Moresby, 24.9.06    


Land der tausend Kulturen


Pralinen in Papua
Unser Aufenthalt in Papua beginnt gut, schlecht. Gut, schlecht, seht gut. Die Einreise ins Land verlaeuft ohne Dramas. Innerhalb von fuenf Minuten bekommen wir unser 60-Tages-Visum. Die Einreise nach Port Moresby praesentiert sich alsdann erheblich schwieriger, unmoeglich gar. Wegen Stammeskaempfen in den Strassen der Hauptstadt fahren weder Busse noch Taxis. Nur die Flugzeuge fliegen – oder auch nicht. Da uns eh kaum etwas in die Stadt zieht, beschliessen wir kurzerhand einen Inlandflug in den Suedosten des Landes zu buchen. (Zwischen Port Moresby und den anderen groesseren Staedten gibt es keine Strassen!) Schon bald ist unser Gepaeck erneut eingecheckt und wir sitzen abermals in einer Wartehalle. Zusammen mit Papuanern auf den Stuehlen und Papuanern an den Waenden (aufgemalt, mit Federn geschmueckt). Als der Lautsprecher fast unhoerbar verkuendet, dass unser Flug gestrichen sei, gehen die Papuaner (auf den Stuehlen) nach Hause. Die an den Waenden bleiben. Wir schauen uns an. Zwei planlose Touristen, ein Leisesprecher und gefiederte Papuaner. Spaeter stellt sich heraus, dass wir den naechsten Flug um sechs Uhr morgens nehmen koennen und dass die Fluggesellschaft uns eine Hoteluebernachtung bezahlt. Besten Dank. Das Airways-Hotel ist nicht schlecht. Das Schweinsfilet und die Schokoladentorte auch nicht. Wenn es etwas zu bemaengeln gaebe, dann, dass die Pralinen, die wir auf unseren Kopfkissen vorfinden, nicht ganz Spruengli-Qualitaet erreichen.

Auf der Suche nach dem Suedseetraum
Eine verliebt dreinschauende Insulanerin, die wir auf dem Internet getroffen haben, verfuehrt uns dazu die unter Anthropologen beruehmte Inselgruppe der Trobriands inmitten der Salomonensee zu besuchen. Also wird ein weiterer Flug vom Reisekonto abgebucht, um die Suche nach der Insulanerin (oben ohne, mit Blumen geschmueckt) in Gang zu setzen. Zu unserer leichten Verwirrung werden wir am Flughafen nicht von unserer Bekanntschaft (aus dem Internet, oben ohne) sondern von einem Hotelmanager in azurblauem Hawaiihemd aufgegabelt. Dieser vermittelt uns aber immerhin in ein huebsches Dorf am Meer, wo wir fuer drei Tage eine kleine Strohhuette (Vollpension) beziehen. Die Inselromantik ist fast perfekt: Sandstrand und Kokosnuesse und zum Abendessen gibt es Hummer und Suesskartoffeln (+250mg Lariam). Nur unsere mit Blumen geschmueckte Inselschoenheit ist ein bisschen scheu geworden. Sie schaut nur noch manchmal vorbei, wenn z.B. ein grosses Kreuzfahrtschiff anlegt, welches eine Begegnung mit Einheimischen arrangiert hat. Dennoch und trotzdem sind wir beeindruckt vom pazifischen Lifestyle. Waehrend sich etablierte Dorfhaeuptlinge und aufkommende Moechtegernpolitiker um den besten Weg in die Zukunft streiten, werden viele traditionelle Braeuche noch immer ausgiebig gepflegt. So sind beispielsweise Koerbe voller Bananenblattgeld im Umlauf (Jede Frau hat ihre eigenen Produktionsutensilien), welches bei bestimmten Anlaessen, wie z.B. Beerdigungen, verwendet wird. Wir verbringen eine weitere Nacht in einem katholischen Dorf, das der aufmerksame Hobbytheologe als solches nicht etwa an irgendwelchen Kreuzen auf irgendwelchen Blechhuetten, sondern an der zentral angelegten Wasserpumpe identifiziert. Ein guter Grund zu konvertieren nehmen wir an.

Ein schlechter Fisch, ein Kreuzritter und gefiederte Papuaner
Nach einem schlechten Fisch, einer folgenden schlechten Nacht und darauf folgender schlechter Laune verbringen wir zwei Tage auf Samarai, einer Insel in der China-Strasse, die sich vor allem durch drei Dinge auszeichnet: Verlotterte Haeuser, schlechtes Wetter und einen verlotterten Pier. Die absolut unglaubliche Anzahl Fische unter dem Pier machen den Ausflug jedoch lohnenswert. Die nun folgende Bootsfahrt von Samarai nach Lae ist zwar lange (ca. 40 Stunden) aber ziemlich bequem (gepolsterte Baenke, Aircon). Mit uns reist John, ein Prediger von Destiny Fellowship of Churches PNG (oder war es doch Churches Fellowship of Destiny PNG?) auf seinem Kreuzzug durch Papua. John war frueher ein eifriger Geschaeftsmann gewesen, bis er eines Tages nach einem (vermutetermassen) intensiven Traum erwacht ist und seither predigend durchs Land zieht. Es waere unfair zu sagen, wir seien nicht um das Wohl der Papuanischen Bevoelkerung besorgt, aber Johns Vorschlaege zur Rettung saemtlicher verlorenen Seelen interessieren uns doch eher wenig. Eine weitere Bekanntschaft vom Boot hat uns praktischere Ratschlaege und hilft uns im verregneten Lae zuegig eine Unterkunft zu finden. Nach einer kurzen Erfrischung im Travellers Inn treffen wir schon bald auf zwei alte Bekannte in folgender Reihenfolge: Erstens: Kreuzritter John, wie er (eher einem FBI-most-wanted denn einem Seelsorger gleichend) von einem schlecht kopierten Plakat auf uns herunterschaut und zur Predigt laedt. Zweitens: gefiederte Papuaner, die dieses Mal in Fleisch und Blut vor unseren verschwommen Augen auftauchen. Durch Zufall haben wir von der Kulturshow an der Universitaet erfahren und nun stehen wir inmitten traditioneller Tanzgruppen, welche sich gegenseitig an Farbenpracht und Stimmgewalt zu uebertreffen suchen. Trotz 30 Grad im Schatten laeuft es uns kalt den Ruecken hinunter.

Morde minus vier
Aus der Zeitung haben wir erfahren, dass die Kriminalitaetsrate in Lae im August im Vergleich zum Vormonat drastisch zurueckgegangen ist (Raubueberfaelle runter von 15 auf 6, Morde minus 4 von 8 auf 4, dazu halb so viele Vergewaltigungen wie im Juli). Trotz dieser beruhigenden Statistik machen wir uns vor Einbruch der Dunkelheit auf den Heimweg und verlassen unsere gefiederten Freunde schweren Herzens. In Lae sollte man gewissen Angaben zu Folge a) gar nicht Bus fahren und b) nicht nach Sonnenuntergang aus dem Haus. Natuerlich sind wir trotzdem zu spaet und waehrend der Busfahrt nach Hause wird es langsam dunkel. Die Stimmung ist angeheizt bis brenzlig, aber wir kommen ohne Zwischenfall durch. In Lae haben wir nun auch endlich Zugang zum ausgiebigsten Strassennetz des Landes, und, nachdem wir am naechsten Tag erfahren, dass an jenem Nachmittag der Supermarkt ausgeraubt worden ist, scheint es uns an der Zeit, die Stadt (mit der verbesserten Kriminalitaetsrate) hinter uns zu la ssen.

Tauchen mit Japanerin
Madang, die einstmals huebscheste Stadt im Pazifik, beeindruckt uns nicht sehr. Die Kuestenlinie und die vorgelagerten Inseln hingegen sind postkartenperfekt. Auch die Stimmung ist recht angenehm. Wir treffen ausserdem erstmals seit zwei Wochen auf Touristen im engeren Sinn. Helen, eine Reisefuehrerin ausser Dienst, und Harald, ein Dauerreisender, wissen von einem Singsing (Kulturfest) in der Naehe. Also beschliessen wir ein paar Tage in einem Dorf ca. 50 Kilometer noerdlich zu verbringen, von wo aus wir das Singsing zu Fuss erreichen und ausserdem nach Paradiesvoegeln im Dschungel suchen koennen. Mit zwei Tauchgaengen runden wir unser Programm an der Nordkueste ab. Der erste ueber dem Riff ist ganz nett, der zweite ist ein Flop, da wir mit einer Japanerin unterwegs sind, die weder Englisch, Tauchen noch Schwimmen kann.

Mehr gefiederte Papuaner
Als naechstes machen wir uns auf den Weg ins Hochland, eine Gegend, wo die Leute seit Jahrtausenden Gemuese anbauen und die erst vor gut 70 Jahren vom Westen entdeckt worden ist. Die unglaubliche Geographie des Landes hat hier eine Kulturdiversitaet hervorgebracht, die Seinesgleichen weltweit unerreicht ist. Jedes Tal hat seine eigene Sprache, seine eigenen Braeuche, seine eigene Kleidung. Hauptziel fuer uns ist die Goroka-Kulturschau, das wohl bekannteste Singsing des Landes, das jaehrlich Touristen aus aller Welt anlockt, die einen Eindruck dieser unglaublichen Vielfalt zu bekommen suchen. Obwohl wir schon angewoehnt waren, sind wir wiederum ueberwaeltigt. Ein Paradies fuer Fotografen. Erstmals auf unserer Reise kommen wir uns mit unserer 5000-fraenkigen Kameraausruestung unterausgeruestet vor. Die Anzahl teurer Objektive, die hier herumgewedelt werden, erreicht ungeahnte Werte. Neben einem Duzend Berufsfotografen hat es ein paar flugzeuge-voll Amerikaner sowie eine hand-voll Rucksacktouristen. (Interessanterweise haben auch diese hier eine grosse Kamera.)

Die Kniepuddingmaschine
Gleich am Tag nach der Show machen wir uns auf zum bisherigen "Hoehe"punkt unserer Reise – dem 4509 Meter hohen Gipfel des Mount Wilhelm. Die Fahrt zum Ausgangsort wird zur Tagestour in drei Etappen: Die relativ gemuetliche Fahrt nach Kundiawa, die relativ langweilige Wartephase in Kundiawa, waehrend der wir den Einheimischen bei ihrer Lieblingsbeschaeftigung Hochland-Darts (eine Mischung aus herkoemmlichem Darts und Speerwerfen) zuschauen und die halsbrecherische Fahrt von Kundiawa nach Kegsugl. Nach einem lockeren Tag (viereinhalb Stunden Marsch zum Basislager und anschliessenden Akklimatisationsbemuehungen auf 3500 Metern) starten wir am naechsten Morgen um 1 Uhr zum Gipfelsturm. Auch wenn es mit dem Bergfuehrer so seine Probleme gibt (weitere Ausfuehrungen findet ihr auf Travelblog) erreichen wir den Gipfel fast bei Sonnenaufgang. Die Genugtuung und die Aussicht (trotz Nebel) sind riesig. Wir atmen ein paar Zuege duenne Luft, essen ein paar Huehnerbiskuits (Brigittes Lieblingsmarke) und machen uns auf den 2000 Hoehenmeter langen Abstieg nach Kegsugl, wo uns nach sieben Stunden in der Kniepuddingmaschine ein Topf Wasser auf dem Feuer (Dusche) und frische Erdbeeren erwarten. Aaahhh…

Voodoo mit Schwarzwaeldertorte
Zurueck in Goroka wohnen wir wiederum bei Taitos, einem Afrikaner, der uns schon waehrend der Kulturschau grosszuegig aufgenommen hat. Wir beschliessen unsere Papua-Reise mit einem schicken Essen zu beschliessen und laden Taitos und Norah (sie hat uns mit Taitos bekannt gemacht) zu Pizza und Schwarzwaeldertorte ein. Die Diskussion ueber Afrikanisches Voodoo und Papuanische Zauberei ist aeusserst amuesant und verwirrend zugleich. Es gibt noch einiges, das wir nicht verstehen in diesem Land, welches doch bereits so anders war, als wir es erwartet hatten. Eine Mischung aus Liebe zur Tradition und Sehnsucht nach Fortschritt.


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